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PAUL EHRLICH

 
     
  PAUL EHRLICH und die Chemotherapie. Lebensdaten: 1854 - 1915. LOUIS PASTEUR und ROBERT KOCH beschäftigten sich mit den bakteriologischen Ursachen von Krankheiten, auf Paul Ehrlich aber geht die Erkenntnis zurück, daß Krankheiten im Grunde chemische Reaktionen sind. So gilt er als Schöpfer der Chemotherapie - ein Begriff, den er prägte. Seit Tausenden von Jahren waren Kranke mit Kräutern und Naturheilpflanzen behandelt worden; durch die industrielle Revolution waren im 19. Jahrhundert Verfahren geschaffen worden, die es erlaubten, Naturprodukte zu untersuchen und zu analysieren. Ehrlich profitierte vom Aufstieg der chemischen Industrie in Deutschland. Seine frühen Arbeiten zur Präparatfärbung in der Mikroskopie lieferten ein neues Bild der Zelle und der Wirkungsweise von Mikroben. Er suchte nach »Zauberkugeln« - chemischen Verbindungen, mit denen man Krankheiten behandeln konnte. Höhepunkt seiner Karriere war die arsenhaltige Substanz Salvarsan, die er 1910 zur Behandlung der Syphilis vorstellte. Paul Ehrlich wurde am 14. März 1854 als Sohn von Ismar Ehrlich, einem wohlhabenden Gastwirt, und Rosa Weigert im oberschlesischen Strehlen geboren. Beide Elternteile stammten aus Familien, die in der einen oder anderen Weise mit den Naturwissenschaften verbunden waren. Großen und frühen Einfluß hatte Paul Ehrlichs Cousin Carl Weigert, ein Chemiker, der neue Färbetechniken für die Mikroskopie entdeckt hatte. 1872 begann Ehrlich das Studium an der Universität Breslau, nach Aufenthalten an verschiedenen anderen Universitäten absolvierte er 1878 an der Universität Leipzig sein medizinisches Examen. Seine Doktorarbeit über Färbemethoden wies bereits auf seine späteren Leistungen hin. Nach der Promotion erhielt er eine Anstellung an der Berliner Charité, wurde sofort zum Oberarzt ernannt, von der klinischen Arbeit freigestellt und konnte seinen eigenen Forschungen nachgehen. Ehrlich besaß ein detailliertes Wissen zur Chemie, und in seinen ersten Forschungsjahren beschäftigte er sich mit Färbetechniken, um die verschiedenen Arten der weißen Blutzellen besser unterscheiden zu können. Damit schuf er die Grundlagen für die moderne Hämatologie und die Erforschung der Leukämie. Daneben entwickelte er Färbemethoden für Bakterien, 1882 schuf er ein Diagnoseverfahren für Typhus und lieferte auch dafür eine Färbemethode, Weiße Blutzellen oder Leukozyten greifen Bakterien an und zerstören sie. Diese Tatsache hatte 1884 der Russe Ilya Metschnikow entdeckt, mit dem Ehrlich 1908 den Nobelpreis für Medizin erhielt. Nachdem es Robert Koch gelungen war, das Tuberkel-Bakterium zu isolieren. 1885 entdeckte er die Blut-Hirn-Schranke, das Filtersystem, durch das das chemische Gleichgewicht im Gehirn aufrechterhalten wird, was von großer Bedeutung für die pharmakologische Forschung wurde. Ebenfalls 1885 veröffentlichte er Das Sauerstoffbedürfnis des Organismus. Damit lieferte er eine allgemeine Theorie zur Zellfunktion. Er ging davon aus, daß der Zellkern für die spezifischen Zellfunktionen im Organismus verantwortlich und daher von chemischen Gruppen umgeben sei, die genau diesen Zwecken entsprechen. Obwohl diese Formulierung - sie wurde als Ehrlichs »Seitenkettentheorie« bekannt - später modifiziert wurde, erlaubte sie die Hypothese, daß die Zellfunktionen auf chemischen Grundlagen basieren. Ehrlich erweiterte die Theorie und wandte sie um die Jahrhundertwende auch auf die Immunologie an: Die chemischen Gruppen (die »Seitenketten«) der Blutzellen passen rein zufällig zu den chemischen Gruppen der eingedrungenen Giftstoffe. Durch eine natürliche chemische Reaktion, die sogenannte Antigen-Antikörper-Reaktion, bilden sich vermehrt Seitenketten (Antitoxine), die aus den Zellen in die Blutflüssigkeit abgegeben werden. Dieser theoretische Ansatz leitete die wichtigste Phase in Ehrlichs Schaffen ein - die Entwicklung spezifischer chemischer Verbindungen, um bestimmte Krankheiten behandeln zu können. Zunächst jedoch verbrachte er achtzehn Monate im trockenen und heißen Klima Ägyptens, nachdem er sich mit Tuberkulose infiziert hatte. Als er 1891 nach Berlin zurückkehrte, trat er in Robert Kochs neugegründeten Institut für Infektionskrankheiten ein. Mit Koch und Emil von Behring, der 1890 ein Serum gegen Diphtherie entwickelt hatte, entdeckte Ehrlich, daß aus Pferdeblut ein Antitoxin gewonnen werden konnte, das erfolgreich beim Menschen eingesetzt werden konnte; eine Methode, die heute noch in der gleichen Weise angewandt wird. 1906 vermachte ihm eine reiche, von seiner Arbeit beeindruckte Witwe die finanziellen Mittel zur Errichtung eines Labors, des Georg-Speyer-Hauses für Chemotherapie in Frankfurt am Main, das Ehrlich bis zum Ende seines Arbeitslebens leitete. Seine Forschungen konzentrierten sich nun auf seine sogenannten »Zauberkugeln«, »die nur die Körper angreifen, zu deren Zerstörung sie geschaffen wurden.« Frühere Arbeiten zur Behandlung der afrikanischen Schlafkrankheit Trypanosomiasis führten ihn dazu, den Farbstoff Benzopurpurin mit einem Schwefelsäurederivat zu kombinieren. Das Resultat, Trypanrot, hatte, wie er zeigen konnte, heilende Wirkung bei Mäusen, versagte allerdings bei anderen Tieren - es gibt bis heute kein Mittel gegen die Krankheit. Er ließ sich aber nicht entmutigen und testete über sechshundert Verbindungen auf ihre chemotherapeutische Wirkung. 1910 konnte er die Entdeckung von Salvarsan verkünden. Damit, wie Dr. Galdston schrieb, »war sein Jugendtraum wahr und die Chemotherapie Realität geworden.« Salvarsan, ein Arsenderivat, das die Syphilis-Spirochäten angreift, war nicht frei von Nebenwirkungen, stellte aber gegenüber dem noch giftigeren Quecksilber einen großen Fortschritt dar und war bis 1940, als das Penizillin entwickelt wurde, das einzige wirkungsvolle Mittel gegen die Krankheit. Zu vermerken ist, daß Ehrlich für die Entdeckung des Mittels persönlich attackiert wurde, da viele glaubten, die Opfer der Geschlechtskrankheit sollten für ihren unmoralischen Lebenswandel den Zorn Gottes auf sich nehmen. Ehrlich galt als freundlicher und bescheidener, etwas vergeßlicher und zerstreuter Mensch, der fünfundzwanzig dicke Zigarren am Tag rauchte, häufig vergaß, Nahrung zu sich zu nehmen, und von jüngeren Kollegen verehrt wurde. Ein Besucher berichtete 1914 in der Zeitschrift Nature, daß in Ehrlichs Labor »Stühle und Tische voll waren mit Büchern, Drucken, Aufzeichnungen, Flakons und Gläsern aller Art, dazwischen Zigarrenschachteln, in denen sich entweder importierte Zigarren oder Reagenzgläser mit chemischen Präparaten befanden.« Ein fröhlicher, umgänglicher Mann, der mit Hedwig Pinkus eine glückliche Ehe führte und mit ihr zwei Töchter, Stephanie und Marianne, hatte. Neben dem Nobelpreis erhielt Ehrlich noch zu Lebzeiten zahlreiche Ehrungen. Er wurde mit der Großen Goldmedaille Preußens ausgezeichnet, 1911 verlieh ihm die deutsche Regierung den Titel einer Exzellenz, und die Straße vor seinem Institut wurde nach ihm benannt. Als seine Witwe und seine Kinder unter den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen mußten, wurde auch die Straße wieder umbenannt. Heute ist Frankfurt am Main der Sitz des PaulEhrlich-Instituts. Im Dezember 1914 erlitt er einen leichten Schlaganfall. »Er weigerte sich zu sterben«, schrieb Dr. Galdston, »da, wie er sagte, so viel in seinem Kopf ist, das sich noch als nützlich für die Menschheit herausstellen könne.« Am 20. August 1915, als er sich in Bad Homburg zur Kur aufhielt, setzte ein zweiter Schlaganfall seinem Leben ein Ende.  
 

 

 

 
 
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