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WILLARD LIBBY |
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WILLARD LIBBY und die Radiocarbonmethode. Lebensdaten: 1908 - 1980. Durch die Entwicklung der Radiocarbonmethode kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es möglich, die Naturgeschichte und kulturelle Vergangenheit des Menschen zu erforschen. Geschichtliche Funde, von alten Maiskolben, die man in Höhlen in New Mexico fand, bis zu den Schriftrollen vom Toten Meer, konnten nun mit relativ großer Genauigkeit datiert werden. Die neue Technik - eine Entwicklung aus der Kernphysik - hatte enorme Auswirkungen auf die Archäologie, Anthropologie und Geologie. Die Radiocarbonmethode aber war mehr als nur eine neue Technologie, sondern basierte auf fundamentalen Vorstellungen über den chemischen Aufbau des Universums. Sie öffnete ein Fenster in die ferne Vergangenheit des Menschen und einen Ausblick in weit entfernte Galaxien. Sie geht auf den amerikanischen Physiker Willard Frank Libby zurück. Willard Frank Libby wurde am 17. Dezember 1908 in Grand Valley, Colorado, geboren. Sein Vater Ora Edward Libby war ein Farmer, der seine Schulausbildung nach der dritten Klasse abgebrochen hatte. Als Willard fünf Jahre alt war, ließ sich die Familie auf einer Apfelplantage in Nordkalifornien nieder, wo er zur Schule ging und 1926 die Highschool abschloß. Von seinen Eltern unterstützt, setzte er die Ausbildung an der Universität Berkeley fort, hatte ursprünglich vor, Bergbauingenieur zu werden, interessierte sich dann aber für die Chemie, Mathematik und Physik. 1931 promovierte er. Zwei Jahre später befaßte er sich mit leichten Radionukliden und hatte einen Geiger-Zähler zum Aufspüren schwacher radioaktiver Strahlung konstruiert. Er blieb von 1933 bis 1940 als Dozent in Berkeley. Während des Zweiten Weltkriegs wechselte Libby an die War Research Division der Columbia University, wo er für das Manhattan Project tätig war. Sein Hauptbeitrag betraf die Entwicklung einer Methode, um die für den Bau der Atombombe benötigten Uranisotope voneinander zu trennen, wobei der entscheidende Schritt auf denselben Prinzipien beruhte, die er später für seine Radiocarbonmethode nutzbar machte. Nach dem Krieg ging er an das von ENMCO FERMI geleitete Institute for Nuclear Studies an der Universität Chicago. Die Erkenntnis, daß Radioaktivität mit dem Alter der Erde zusammenhängt, stammte nicht von Libby. Bereits zur Jahrhundertwende hatte man erkannt, daß sich durch den radioaktiven Zerfall über gewisse Zeitspannen die instabilen radioaktiven Elemente in stabile, gewöhnliche Elemente umwandeln. Schon ERNEST RUTHERFORD hatte 1904 vorgeschlagen, daß durch die Radioaktivität das Alter der Erde bestimmt werden könnte. Und der amerikanische Chemiker Bertram Borden Boltwood begann 1905 eine Methode zur Berechnung dieses Prozesses zu entwickeln, wobei er auf ein Erdalter von 2,2 Milliarden Jahren und 5 Milliarden Jahre für das Alter des Sonnensystems kam. Libbys originärer Beitrag zu diesen Hypothesen bestand darin, daß er die Bedeutung der 1939 entdeckten kosmischen Strahlung erkannte. Kosmische Strahlen, Elementarteilchen, die ständig aus dem Weltall in die Atmosphäre eindringen, treffen dort auf Stickstoff, der fast vier Fünftel der Atmosphäre ausmacht. Und einige Stickstoffatome, nahm Libby an, mußten sich dabei in radioaktiven Kohlenstoff C-14 umwandeln. Dieses Kohlenstoffisotop wird sofort zu Kohlendioxid oxidiert und von den Pflanzen aufgenommen. Daher nehmen alle lebenden Organismen durch die Nahrungskette C-14 auf. Libby ging davon aus, daß der C14-Anteil in den Organismen relativ konstant bleibt, solange sie Nahrung zu sich nehmen. Nach ihrem Tod aber zerfällt das in den Pflanzen oder Tieren noch enthaltene C-14 und nimmt allmählich ab. Während Uran eine Halbwertszeit von viereinhalb Milliarden Jahren aufweist, beträgt sie bei C-14, wie man um 1940 herausfand, nur etwa 5730 Jahre -eine relativ kurze Zeitspanne. »Indem man die noch verbliebene Radioaktivität mißt«, schrieb Libby, »sollte es möglich sein, die Zeit zu bestimmen, die seit dem Tod vergangen ist, falls dieser in einen Zeitraum fällt, der ungefähr zwischen 500 und 30 000 Jahren zurückliegt.« Libby konstruierte einen Geiger-Zähler, den er in einen dicken Bleimantel hüllte, um die gewöhnliche radioaktive Strahlung abzuschirmen, und machte sich an die ersten Versuche. Er verbrannte natürliche Stoffe wie Redwood-Bäume, deren Alter durch andere Methoden festzustellen war, testete dann das Holz vom Leichenboot des ägyptischen Königs Sesostris und erzielte eine verblüffende Übereinstimmung zwischen seinen experimentellen Befunden und den vorhergesagten Daten. Auch andere Dinge trafen in Libbys Labor ein: Holzkohle, die von den frühen Bewohnern im englischen Stonehenge und bei der Großen Sonnenpyramide in Mexiko verbrannt wurde, und, nicht zu vergessen, alter Faultierdung aus Chile. Libby konnte auch die ältesten menschlichen Ansiedlungen datieren und errechnete, daß die letzte Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren endete - viel später, als man dies bislang angenommen hatte. Schließlich konnte man die C-14-Methode für Zeiträume verwenden, die zwischen 500 und 70.000 Jahren zurückliegen. 1952 veröffentlichte Libby Altersbestimmung mit der C-14-Methode, 1960 erhielt er den Nobelpreis für Chemie. Libby wurde zu einer einflußreichen Gestalt in der amerikanischen Physik. 1954 nahm er seinen Abschied von der Universität Chicago und arbeitete für die Atomenergiekommission. Von Dwight D. Eisenhower ernannt, galt er als »kalter« Krieger und wurde von manchen als willfähriges Instrument der Regierungspolitik angesehen. Er unterstützte die Aufrüstung, vertrat die Ansicht, daß »deren Risiken minimal sind im Vergleich zu den Risiken, die sich aus ungleichen Atomwaffenarsenalen ergeben.« In den 50er Jahren war er ein eifriger Befürworter kleiner privater Atombunker, die vor der tödlichen Strahlung eines Atomkriegs schützen sollten. Der Radioaktivität stand er mit einer bemerkenswerten Nonchalance gegenüber, und zu Atomwaffentests, die er eifrig unterstützte, schrieb er: »Wir können wirklich nicht sagen, daß sie in irgendeiner Weise gefährlich seien ...« In der letzten Phase seiner Laufbahn arbeitete er an der Chemiefakultät der UCLA und war Leiter des Institute of Geophysics and Planetary Physics. Libby war mit Leonor Lucinda Hickey verheiratet, mit der er Zwillingstöchter, Susan und Janet, hatte. Nach der Scheidung im Jahr 1966 heiratete er Leona Woods Marshall. Libby, von mächtiger Statur und rotem Haar, war sein ganzes Leben lang als »Wild Bill« bekannt. Er galt als guter Lehrer, und seine Einstellung zu seinem Beruf war typisch für die Zeit: »Ein Wissenschaftler muß ein Mann sein«, sagte er Theodore Berland. »Die meisten sind es nicht, da sie sich an andere anlehnen. Sie gehören zur Gruppe. Ein Wissenschaftler muß in der Lage sein, als Einzelner zu arbeiten, seine eigene Arbeit zu machen.« Libby ging 1976 in Ruhestand. Er starb am 8. September 1980 an den Folgen einer Lungenentzündung. Seit Libbys Entdeckung der C-14-Methode wurden eine ganze Reihe radiometrischer Methoden entwickelt, die zu immer genaueren und aussagekräftigeren Ergebnissen kommen. So konnte man durch die auf radioaktivem Kalium- 40 basierende K-Ar-Methode Kontinente und geologische Strukturen datieren. Durch die Rb-Sr-Methode, sie beruht auf Rubidium-Atomen, wurde Mondgestein bestimmt. Durch die Elementarteilchen läßt sich die Geschichte der Menschheit mit der Geschichte des Universums in Zusammenhang bringen und ermöglicht die Einbindung in einen geologischen Zeitrahmen. Diese Schnittstelle zwischen den Naturwissenschaften und der menschlichen Zivilisation, wie sie sich ähnlich auch in der Mikrobiologie findet, kann als einer der wichtigsten Beiträge zum kulturellen Erkenntnisprozeß gesehen werden. |
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