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CHARLES DARWIN

 
     
  CHARLES DARWIN und die Evolution. Lebensdaten: 1809 - 1882. Mit Charles Darwin nimmt die neue, von Wissenschaft und Industrialisierung geprägte Beziehung des Menschen zur Natur eine dramatische und säkulare Wende. 1859 veröffentlichte Darwin Die Entstehung der Arten, zwölf Jahre später Die Abstammung des Menschen. Darwins Theorien zur Evolution und natürlichen Auslese standen zwar im Gegensatz zu den dogmatischen Ansichten, welche die Unveränderlichkeit der Arten postulierten und dem Menschen eine einzigartige Stellung in der natürlichen Ordnung einräumten, ihr Einfluß auf die westliche Kultur aber war außerordentlich groß. Obwohl der Darwinismus von Beginn an für hitzige Kontroversen sorgte, waren seine Folgen erst im 20. Jahrhundert mit der Weiterentwicklung der Naturwissenschaften spürbar. Genetik, Mikrobiologie und eine differenziertere Evolutionstheorie bilden das Erbe Darwins. »Darwin ist zu Recht der bekannteste Wissenschaftler der Geschichte«, schreiben seine Biographen Adrian Desmond und James Moore. »Mehr als jeder andere moderne Denker Freud und Marx eingeschlossen hat dieser umgängliche Naturalist, der dem niederen Adel Shropshires entstammte, das Bild verändert, das wir uns von uns selber machen.« Charles Robert Darwin wurde am 12. Februar 1809 als fünftes Kind (und als jüngster zweier Söhne) von Robert Waring Darwin, einem Arzt, und Susannah Wedgewood geboren. Sein Großvater Erasmus Darwin (1731-1802) war ein bekannter Arzt, Dichter, Philosoph und Erfinder. Der Vater seiner Mutter, Josiah Wedgewood, war der berühmte Steingut und Keramikmanufakturbesitzer. Als Darwin acht Jahre alt war, starb seine Mutter an einer Magen-Darm-krankheit, wahrscheinlich Krebs. Später erinnerte er sich, daß ihm seine Geschwister verboten, nach dem Tod der Mutter von ihr zu sprechen; so besaß er nur wenige Erinnerungen an sie. Als Schüler der Shrewsbury School, einer vornehmen, von Samuel Butler geleiteten Privatschule, bei der die klassische Bildung im Vordergrund stand, hatte er Schwierigkeiten mit dem Lehrplan; Sprachen zu dernen fiel ihm schwer. Außerhalb des Klassenzimmers ging er seinem Interesse für Naturgeschichte nach, sammelte Pflanzen und Tiere. »Die Sammelleidenschaft«, schrieb er in seiner Autobiographie, »die aus den Menschen entweder systematische Naturalisten, Kunstkenner oder Geizhälse macht, war in mir sehr stark ausgebildet und mußte angeboren sein, denn keiner meiner Geschwister teilte diese Vorliebe mit mir.« Darwin sprach in seinen Erinnerungen mit Bewunderung von seinem Vater, dem führenden Arzt in Shrewsbury, andere hielten ihn eher für einen herrischen, wenngleich wohltätigen Tyrannen. Wie Robert Darwin hatte Charles, als er 1825 an die Universität von Edinburgh ging, zunächst vor, Medizin zu studieren. Im Jahr darauf trat er in die Plinian Natural History Society ein und geriet unter den Einfluß des bekannten Mediziners und Zoologen Robert Grant. Dem Medizinstudium allerdings kdnnte Darwin nicht viel abgewinnen und hegte vor allem gegen die Anatomie starke Vorbehalte was er später bedauerte, da er niemals zu sezieren dernte. Da ihm menschliches Leid sehr naheging, konnte er es kaum ertragen, an Operationen teilzunehmen, die in jenen Jahren noch ohne Narkose durchgeführt wurden. Darwins Zwiespalt hinsichtlich seiner Berufswahl änderte auf ungewöhnliche und entscheidende Weise den Lauf der Wissenschaftsgeschichte. Als der Vater von Darwins Abneigung gegen das Medizinstudium erfuhr, schlug er vor, daß er Kleriker werde. Gehorsam verließ Darwin 1827 Edinburgh und schrieb sich am Christ's College der Universität Cambridge ein. Eine verschwendete Zeit, wie er später sagte. Allerdings sammelte er Käfer und betrieb mit dem Botaniker John Stephen Henslow Naturstudien. 1831 schloß er sein Studium ab. Bald darauf wurde ihm an Bord eines Schiffes, das zu einer Reise um die Welt aufbrach, die Stelle eines Naturwissenschaftlers angeboten. Der junge Kapitän der H. M. S. Beagle, Robert FitzRoy, wollte auf der langen und oftmals langweiligen Reise einen jungen Gefährten aus gutem Hause als Begleiter bei sich haben. Zweck der Reise war die Kartographierung der Küsten Feuerlands, Chiles und Perus, ein Besuch der Südseeinseln und des indischen Archipels. Darwin war von seinem Lehrer Henslow als »überaus qualifiziert für die Aufgaben des Sammelns, Beobachtens und Notierens« empfohlen worden. Trotz der väterlichen Einwände fand sich Darwin an Bord der Beagle ein, als sie am 27. Dezember 1831 auslief. Erst fünf Jahre später sollte sie nach England zurückkehren. In der populären Wissenschaftsliteratur nimmt Darwins Reise an Bord der Beagle einen besonderen Platz ein. Manchmal wird sie als aufregende Expedition dargestellt und Darwin als »unternehmungslustiger, abenteuerlicher, mutiger Mann« porträtiert, »einfallsreich und nie verlegen, wenn er mit Schwierigkeiten konfrontiert wurde, ständig getrieben, die Grenzen seiner bekannten Umgebung zu überschreiten.« Manches davon stimmte; als die Beagle in Montevideo anlegte, befand sich die Stadt gerade inmitten der Revolutionswirren, und Darwin überquerte auf einem Pferd die Pampas und schrieb seiner Schwester: »Ich bin schon ganz zu einem Gaucho geworden, trinke meinen Mate & rauche meine Zigarre & lege mich dann hin & schlafe unter dem Himmelszelt so angenehm wie in einem Federbett.« Andererseits wurde Darwin während der gesamten Reise von der Seekrankheit geplagt und verspürte auch beträchtliches Heimweh. Entscheidend war jedoch, daß Darwin die einzigartige Gelegenheit zu nutzen verstand, bislang nicht bekanntes Forschungsmaterial zu studieren. Sein Hauptinteresse galt zunächst der Geologie. Großes Gewicht fiel dabei CHARLES LYELL zu, dessen kurz zuvor erschienene Principles of Geology er während der Reise eifrig las. Darüber hinaus sammelte er Pflanzen und Tiere, führte Notizbücher, zeichnete seine Beobachtungen auf und erweiterte sie in Form eines Tagebuchs. Mit Interesse notierte er die leichten Abweichungen, die er bei den Vogel und Schildkrötenpopulationen auf den einzelnen Inseln des Galapagos-Archipels vorfand, und wurde sich seiner wachsenden Qualifikation bewußt. »Ich hatte immer das Gefühl, daß ich dieser Reise meine erste wirkliche Ausbildung oder Geisteserziehung verdanke«, schrieb er später. »Ich war darauf angewiesen, mich ausführlich mit mehreren Zweigen der Naturgeschichte zu befassen, wodurch meine Beobachtungsgabe, obwohl bereits durchaus ausgeprägt, sich noch mehr schärfte.« Am 2. Oktober 1836 kehrte die Beagle nach England zurück. 1837, noch unter dem Eindruck der Reise, begann Darwin, die Fülle seiner Beobachtungen theoretisch aufzuarbeiten. Bereits 1838, während er Malthus las, entwickelte er den Gedanken der natürlichen Auslese - der Konservierung von Eigenschaften durch Anpassung an die Lebensbedingungen. Allerdings veröffentlichte er seine Theorie nicht, sondern sammelte weiter Material und schrieb drei wissenschaftliche Werke über seine Beobachtungen zu Korallenriffen, vulkanischen Inseln und anderen geologischen Formationen. Sie sicherten Darwin einen soliden wissenschaftlichen Ruf. Im Down House außerhalb von London, wo er ab 1842 lebte, verbrachte er die Jahre 1846 bis 1854 mit der systematischen Erforschung der Entenmuscheln, der Krustentiere, die sich an Schiffen festsetzen und so über die ganze Welt verbreitet werden. 1856 fertigte er einen dritten Entwurf seiner Theorie; und obwohl ihn Charles Lyell - mittlerweile ein enger Freund zur Veröffentlichung drängte, weigerte sich Darwin beharrlich. Ihm war durchaus daran gelegen, Priorität für seine wissenschaftlichen Erkenntnisse anzumelden, glaubte aber, daß seine theoretischen Überlegungen durch eine große Zahl von Fakten gestützt werden sollten. Nachdem ihm jedoch 1858 Alfred Wallace, ein Amateurwissenschaftler, der ebenfalls in Südamerika gewesen war, ein Exposé" zur Theorie der Arten schickte, war Darwin schließlich gezwungen, sein Werk ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen. Noch im selben Jahr wurden Darwins und Wallaces Arbeiten der Linnaean Society vorgestellt, die Darwin die Priorität der Entdeckung zusprach. Ein Jahr später wurde Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe ums Dasein veröffentlicht. Das Buch löste bei Wissenschaftlern, Theologen und Laien sofort kontroverse Diskussionen aus. Den berühmtesten Fall stellt wohl der Bischof von Oxford dar, der sich bei einem Empfang in der British Association über Darwins Theorie, ohne sie zu kennen, lustig machte und dabei von Thomas Huxley manchmal auch »Darwins Bulldogge« genannt zum Schweigen gebracht wurde; Huxley meinte, er wolle »lieber mit einem Affen verwandt sein als mit einem Menschen von erwiesener Befähigung, der seinen Verstand nur dazu gebraucht, die Wahrheit zu verdrehen.« Ähnlich wie bei der kopernikanischen Wende und Freuds Beschreibung des Unbewußten machte Darwins Theorie ihren Einfluß geltend, lange bevor sie experimentell bewiesen werden konnte. Darwins zögerliche Haltung, das Buch zu veröffentlichen, ist verständlich, waren doch zur damaligen Zeit weder Vererbungsgesetze noch deren Mechanismen bekannt. Wenn sich Merkmale vermischen, wie Biologen damals vermuteten, warum verwässern oder verschwinden dann nicht die individuellen Merkmale nach mehreren Generationen? Dieses Problem plagte Darwin so sehr, daß er sich gegen Ende seines Lebens mit einer quasi Lamarckschen Lösung - Pangenesis bezeichnet anfreundete. Eine physikalische Erklärung der Vererbung und der natürlichen Auslese wurde erst durch die Entdeckung der Chromosomen, der Wiederentdeckung GREGOR MENDELS und neueren Forschungen in der Genetik möglich. Zwischen der Veröffentlichung von Die Entstehung der Arten und der genetischen Vererbungslehre von THOMAS Hunt MORGAN liegt ein halbes Jahrhundert. Nach Die Entstehung der Arten veröffentliche Darwin zehn Bücher, die sich mit der Theorie der natürlichen Auslese befassen. Darunter Die Abstammung des Menschen (1871), Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Thieren (1872) und Die Bewegung und Lebensweise der kletternden Pflanzen (1880). Darwin heiratete 1839 Emma Wedgewood, eine Kusine ersten Grades, mit der er zehn Kinder hatte, von denen sieben überlebten. In seinen späten Jahren litt er an einer Krankheit, die wohl psychosomatischen Ursprungs war. Als er Die Entstehung der Arten schrieb, vertrat er eine theistische Religionsauffassung, später entwickelte er sich zum Agnostiker. Nach seinem Tod am 19. April 1882 wurde er in der Westminster Abbey nicht weit von ISAAC NEWTON beigesetzt. »Aufgrund seines immensen Einflusses auf das menschliche Denken muß Darwin in einer Reihe mit den größten Gestalten der Wissenschaft genannt werden - mit Aristoteles, Galilei, Newton, Lavoisier und Einstein«, schrieb A. E. E. McKenzie in seiner klassischen Wissenschaftsgeschichte The Major Achievements of Science. Bis heute ist dem nichts hinzuzufügen. Charles Darwin, so George Gaylord Simpson, sei »das Genie, das, obwohl fehlbar wie wir alle, die wissenschaftliche Forschung und das Wissen über unseren Ursprung, unsere Beziehung zur Natur und dem Universum grundlegend veränderte.«  
 

 

 

 
 
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