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CHARLES LYELL

 
     
  CHARLES LYELL und die moderne Geologie. Lebensdaten: 1797 - 1875. Bereits in der Renaissance interessierte man sich geologische Formationen. So war Leonardo da Vinci davon überzeugt, daß, die Fossilien, die er in Italien fand, Überreste des Meeres waren, das einst das Land bedeckt hatte. Aber erst mit dem Anbruch der industriellen Revolution ergaben sich klar umrissene Motive für das wissenschaftliche Verständnis - und die Ausbeutung - der Bodenschätze. Das goldene Zeitalter der Geologie wird somit auf den Zeitraum zwischen 1780 und 1840 datiert, und die wichtigste Gestalt in dieser Epoche war der britische Wissenschaftler Charles Lyell. Lyells umwälzende Sichtweise zum Aufbau und der Entstehung der Erde nimmt in vielem die Evolutionstheorie von CHARLES DARWIN vorweg. Die beiden waren nicht nur befreundet, Lyells Einfluß läßt sich sogar ganz direkt nachweisen. »Lyell gebührt das unumstrittene Verdienst«, schreibt Loren Eiseley, »daß er nicht nur ganz alleine die Geologie auf neue Bahnen lenkte, sondern auch den wichtigsten Einfluß im Leben Charles Darwins , darstellte.« Charles Lyell wurde am 14. November 1797 im Familienanwesen in Kinnordy im schottischen Angus County als Sohn einer englischen Mutter und eines schottischen Vaters geboren. Charles Lyell Sr., Absolvent der Universität Cambridge, übersetzte Dante, züchtete seltene Pflanzen und war Amateur-Botaniker (die Pflanze Lyellia ist nach ihm benannt). Der junge Charles besuchte einige Privatschulen und begann im Alter von zehn Jahren Insekten zu sammeln, was zu einer lebenslangen Freizeitbeschäftigung wurde. Ab 1816 war er auf dem Exeter College an der Universität Oxford, studierte Jura, interessiert sich aber auch für die Naturwissenschaften und trat der Geologischen Gesellschaft bei. Da für ihn keine finanzielle Notwendigkeit bestand, die Rechte auszuüben, gab er bald - mit Zustimmung des Vaters - alle juristischen Ambitionen auf und wandte sich der Geologie zu. Mitte der 20er Jahre steckte er inmitten geologischer Forschungen. 1822 hatte er einen Artikel über die Bildung von Sandstein verfaßt, 1823 reiste er durch Frankreich, wo er in Aix-en-Provence und in der Auvergne Gesteinsformationen studierte. Im darauffolgenden Jahr war er in Schottland, begleitet von seinem Lehrer William Buckland, dessen 1823 erschienenes Buch Reliquiae diluvianae für eine getreue Auslegung des biblischen Schöpfungsakts plädierte; eine Ansicht, der Lyell in diesen frühen Jahren noch anhing. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die geologische Forschung von Katastrophentheorien dominiert - Vorstellungen, wonach die Erdoberfläche durch Überschwemmungen oder Feuer geschaffen wurde. So glaubten die -vom Deutschen Abraham Gottlob Werner angeführten -Neptunisten, die Erde hätte sich gebildet, während der gesamte Planet mit aufgewühlten, stürmischen Ozeanen, so hoch wie die höchsten Berge, überzogen war. Die Theorie beschäftigte sich ausführlich mit den unterschiedlichen Gesteinsschichten, die als Ablagerung des Urozeans angesehen wurden, und hatte in dieser Hinsicht durchaus ihre Verdienste. Aber sie versäumte es, den vulkanischen Ursprung manchen Gesteins anzuerkennen, und so führten Werner und die Neptunisten einen jahrelangen erbitterten Streit mit den sogenannten Plutonisten, die ihr Hauptaugenmerk auf die Bedeutung der Vulkane legten. 1785 hatte James Hutton eine Theorie des Uniformatismus aufgestellt, die von kontinuierlicher Zerstörung und Schöpfung ausging (»kein Hinweis auf einen Anfang«, schrieb er, »keine Aussicht auf ein Ende«). Doch diese Theorie fand kaum Anklang. Ende der 20er Jahre schrieb Lyell bereits an seinem Hauptwerk, The Principles of Geology, das zwischen 1830 und 1833 in drei Bänden veröffentlicht wurde und der einflußreichste Text zum Thema wurde. Wie ANDREAS VESALIUS auf dem Gebiet der menschlichen Anatomie oder ANTOINE LAVOISIER in der Chemie war sich Lyell über die Bedeutung seiner Arbeit vollkommen im klaren. Er sah sich selbst als jemand, der eine neue Wissenschaft schuf. »Es ist nicht leicht, alles auf eine vernünftige Grundlage zu stellen«, schrieb er seinem Verleger, »ohne den vielen Vorurteilen, von denen sich die Öffentlichkeit nur schwer trennen kann, den Krieg zu erklären. Und es erfordert große Geschicklichkeit, will man das auf ehrenwerte Weise unternehmen, ohne selbst allzu viele Schrammen abzubekommen.« Statt auf erbitterte Kontroversen setzte Lyell auf Vernunft und Ordnung. Die historische Einführung in das Thema war »meisterhafte Propaganda«, wie es ein Schriftsteller ausdrückte, »die für mehr als ein Jahrhundert reiche Früchte trug.« Noch zu Lebzeiten Lyells erlebten die fortlaufend überarbeiteten Principles elf Auflagen. Lyells Hauptthese beruht auf der Vorstellung, daß die Erdgeschichte eine »ununterbrochene Abfolge von physikalisch zu beschreibenden Ereignissen war, welche Gesetzen unterliegen, die auch heute noch wirksam sind.« Von Anfang an fordert er, Geologie von den biblischen Lehrmeinungen strikt zu trennen, dazu gibt er einen historischen Überblick über die verschiedenen Schöpfungsmythen und schließt eine fundierte Geschichte der Geologie bis zum 19. Jahrhundert an. Der Abschnitt zu den Versteinerungen enthält eine Reihe von Argumenten, die dem heutigen Wissen nicht mehr standhalten, im dritten Band des Werks aber präsentiert Lyell eine geologische Formationstabelle, die und deren Nomenklatur - Pliozän, Miozän, Eozän - zum Teil noch heute in Gebrauch sind. So kann er auch als einer der Mitbegründer der Stratigraphie angesehen werden. Lyell war ein Freund und Mentor von Charles Darwin. Der erste Band der Principles erschien ein Jahr vor der Weltreise des jungen Darwin an Bord der Beagle. Während der Reise studierte er Lyells Buch und konnte die Gedanken durch eigene Beobachtungen bestätigen. Nach seiner Rückkehr nach England wurden die beiden enge Freunde; Darwin widmete Lyell sein Reisetagebuch. Am meisten beeindruckte Darwin sicherlich Lyells Standpunkt, daß die geologische Gegenwart das Resultat von Kräften sei, die seit langem wirksam sind. Lyell selbst akzeptierte den Gedanken der natürlichen Auslese, stand der Abstammung des Menschen zunächst aber zurückhaltend gegenüber. Erst in seinem The Antiquity of Man (1863) freundete er sich mit Darwins Position an, obwohl noch immer unklar ist, wie weit er sich wirklich auf dessen Abstammungstheorie einließ. Vor allem in späteren Jahren hielt sich Lyell aus Auseinandersetzungen heraus. 1848 wurde er zum Ritter geschlagen, 1864 zum Baronet ernannt. In seiner Religionsauffassung war er Derst. Er war ein freundlicher Mensch, verfügte über glänzende Umgangsformen und fühlte sich in politischen Kreisen wohl. Seiner Heirat 1832 mit Mary Horner folgte in den Flitterwochen eine geologische Kreuzfahrt auf dem Rhein; das Paar blieb kinderlos. Lyell war ein großer Reisender, ein britischer Abenteurer, wie er im Buche steht. Zweimal war er in den USA und schrieb darüber seine Travels in North America. Er starb am 22. Februar 1875, während er - trotz Blindheit - an der zwölften Auflage seiner Principles arbeitete.  
 

 

 

 
 
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