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FHEODOSIUS DOBZHANSKY |
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FHEODOSIUS DOBZHANSKY und die moderne Synthese. Lebensdaten: 1900 - 1975. 1937 veröffentlichte Theodosius Dobzhansky sein außerordentlich einflußreiches Werk Die genetischen Grundlagen der Artbildung. Das Buch ist eine Tour de force durch CHARLES DARWINS. Theorie der natürlichen Auslese, die Dobzhansky mit der Chromosomentheorie der Vererbung und der Populationsgenetik verknüpfte. Somit kam hier um ersten Mal die »moderne Synthese« zum Ausdruck, das - zusammen mit dem Werk von ERNST MAYR und GEORGE GAYLORD SIMPSON - zum Neo-Darwinismus führte, wie wir ihn heute kennen. Dobzhansky, ein Natur_ kundler, Genetiker und Evolutionsbiologe, behandelte im Laufe seiner langen Karriere eingehend die wichtigsten Themen der Biologie. »Die bedeutendsten Beiträge zur modernen biologischen Evolutionstheorie«, meint Ernest Boesiger, »stammen von Dobzhansky.« Theodosius Dobzhansky wurde am 25. Januar 1900 im russischen Nemirow geboren. Sein Vater Gregori Karlowitsch Dobzhansky war ein Mathematiklehrer polnischer Abstammung, dem Familienzweig der Mutter Sophia Wasiliewna Woinarski gehörten Priester der russisch-orthodoxen Kirche und der Schriftsteller Fjodor Dostojewski an. Nach einem Unfall des Vaters zog die Familie nach Kiew, ab 1910 besuchte Dobzhansky das Gymnasium. Als Jugendlicher sammelte er Schmetterlinge und Käfer. Beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs entging er knapp der Rekrutierung, und während der russischen Revolution hielt er sich an der Universität von Kiew auf, verbrachte seine Zeit in der entomologischen Gesellschaft und sammelte Zehntausende von Insekten. Im Bürgerkrieg erlebte er abwechselnd weißrussische und sowjetische Regierungen, und nach seinem Universitätsabschluß 1921 bekam er in Kiew einen Lehrauftrag für Biologie und führte 1922 für die herrschenden Sowjets Untersuchungen zu Zuckerrübenkrankheiten durch. THOMAS HUNT MORGANS Nachweis der Mendelschen Vererbungsregeln, die er in Experimenten mit Taufliegen, Drosophila, durchgeführt hatte, nahm er Anfang der 20er Jahre enthusiastisch zur Kenntnis. Bald danach wechselte er von Kiew an die Universität von Petrograd (das kurz darauf in Leningrad umbenannt wurde) und führte eigene Experimente mit diesen Insekten durch. Seine ersten Studien befaßten sich allerdings nicht eigentlich mit der Genetik, sondern waren Versuche, anhand der Morphologie der Drosophila zu einem besseren Verständnis der Mutationen zu kommen. Als Assistent im Labor für Genetik undexperimentelle Zoologie arbeitete Dobzhansky unter der Leitung Juriel Filiptschenkos, eines der einflußreichsten russischen Zoologen. Filiptschenko hatte Mitte der 20er Jahre die Unterscheidung zwischen der Mikroevolution (auf der Ebene des Individuums) und der Makroevolution (auf der Ebene ganzer Populationen) aufgestellt. Diese hierarchischen Konzepte sollten für Dobzhanskys spätere Arbeiten von Bedeutung werden. Dobzhanskys Karriere nahm 1927 eine entscheidende Wendung, als er - mit Filiptschenkos Unterstützung - durch ein Stipendium die Möglichkeit erhielt, in Morgans Labor an der Columbia University in den USA zu arbeiten. Bald darauf fiel Filiptschenko bei den Behörden in Ungnade, 1930 starb er. Kurz vor seinem Tod ermutigte er Dobzhansky noch, so lange wie möglich bei Morgan zu bleiben und, wie er schrieb, ein »herausragender Morganoid« zu werden. Dobzhansky gelang es, Morgans Vertrauen zu gewinnen, und wechselte mit ihm 1928 ans California Institute of Technology. Er blieb für den Rest seines Lebens in den USA. Obwohl er von Morgan die Technik der Chromosomenbestimmung dernte, gab er als Naturkundler sein Interesse an den übergreifenden Themen der Evolutionstheorie nicht auf. »Mein Interesse an der Genetik entsprang meinem Interesse an der Evolution, und dies war ein philosophisches«, sagte er später, obwohl er damit in der Gesellschaft von Morgan und seinen Mitarbeitern ziemlich alleine gewesen sein dürfte. Wichtige Beiträge zur Drosophila-Forschung machte Dobzhansky durch seine Arbeit zu den Chromosomenkarten, bei der er die leichten Abweichungen innerhalb der unterschiedlichen Insektenpopulationen bestimmte. 1935 entdeckte er die »Isolationsmechanismen«, die Tierarten entwickeln, um ihre Eigenart zu erhalten. Im Grunde hatte er damit von Morgans Labor eine geistige Brücke zur Welt der Naturkunde geschlagen. 1936 begann er mit der Publizierung einer Reihe von wichtigen Aufsätzen zur »Genetik natürlicher Populationen.« Ein Großteil seiner Forschungen basierte dabei auf einer besonderen Unterart der Taufliege, der Drosophila pseudoobscura. In dieser Zeit, die eine enorme Aufwertung quantifizier-barer Analysen erlebte, verbanden sich Dobzhanskys philosophische Vorlieben mit seinen experimentellen Interessen. 1918 hatte Ronald Fischer vorgeschlagen, zum besseren Verständnis der Genveränderungen in ganzen Populationen einen statistischen Ansatz zugrunde zu legen; 1930 erschien dazu dessen Genetical Theory of Natural Selection. Zwei Jahre später veröffentlichte J. B. S. Haldane Causes of Evolution. Darin zeigt er, daß die evolutionäre Entwicklung über viele Generationen hinweg auf dem Prinzip der natürlichen Auslese beruht, daß dazu aber häufige und weitverbreitete Mutationen nicht nötig sind. Diese beiden auf mathematische Analysen beruhenden Untersuchungen lieferten Dobzhansky den Anstoß für eine neue Synthese. Sie untermauerten die Vorstellung, daß kleine Veränderungen auf der Ebene des Individuums innerhalb relativ kurzer Zeit ungeheure Veränderungen für die Art als Ganzes nach sich ziehen können. 1936 hielt Dobzhansky eine Reihe von Vorlesungen, die er im Jahr darauf unter dem Titel Die genetischen Grundlagen der Artbildung veröffentlichte. Es gelang ihm, eine »zusammenhängende Geschichte« über die Grundannahmen der Evolutionstheorie zu liefern; seiner hierarchischen Struktur liegt dabei ein statistischer Ansatz zugrunde. Mutationen und Chromosomveränderungen sieht er auf der »ersten Ebene des Evolutionsprozeß« angesiedelt, der »vollständig von der Physiologie der Individuen bestimmt ist.« Auf dieser Ebene können Genmutationen in Hülle und Fülle auftreten und wieder verlorengehen. Auf der zweiten Ebene jedoch wird »die genetische Struktur der Population in Übereinstimmung mit der Umgebung und der Ökologie, vor allem den Fortpflanzungsgewohnheiten, durch den Einfluß der Auslese, Wanderbewegungen, geographischer Isolation in neue Formen gegossen.« Die natürliche Auslese betrifftdaher die ganze Art, wenn durch die Umgebung »historische Veränderungen in der lebenden Population« erzwungen werden. Schließlich weist Dobzhansky auf eine dritte Ebene hin. Sie betrifft die Entwicklung von Mechanismen, die die Eigenart einer Spezies erhalten - sei es durch geographische Isolation, sexuelle Isolation oder Hybrid-Sterilität. Als eines der wichtigsten Ergebnisse dieser theoretischen Überlegungen konnte Dobzhansky, gestützt auf mathematische Voraussagen, nun beschreiben, wie Experimente an ganzen Populationen in der Natur durchgeführt werden konnten. Die genetischen Grundlagen der Artbildung gab »das klare Signal zu einer Bewegung, die man nur mit den Worten >Zurück zur Natur< bezeichnen kann«, schrieb damals Leslie C. Dunn. »Die im Labor gewonnenen Methoden sind nun so weit entwickelt, daß sie im Freien getestet und im letztlich einzigen Labor der Biologie, in der Natur selbst, eingesetzt werden können.« Nachdem die Beziehung zwischen der Genetik und der natürlichen Auslese geklärt war, konnte Dobzhansky seinen klassischen Satz formulieren: »In der Biologie ergibt nichts Sinn, wenn man es nicht im licht der Evolution betrachtet.« Als Dobzhanskys Arbeit mit der des Ornithologen Ernst Mayr und des Paläontologen George Gaylord Simpson verbunden wurde, entstand durch den daraus resultierenden Neo-Darwinismus eine »einzige lange Beweiskette« zum Verständnis biologischer Phänomene, die von der makroskopischen bis zur molekularen Ebene reicht. Die moderne Synthese hat bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren. Sie versöhnt die Welt der Naturkunde und der Taxonomie mit der Genetik. »Zum ersten Mal«, schreibt EDWARD 0. Das Maultier ist ein bekanntes Beispiel für Hybrid-Sterilität. Ein männliches Maultier, das von einem weiblichen Pferd abstammt, ist im allgemeinen steril. Wie viele Hybriden ist das Maultier widerstandsfähiger, »konnten durch Daten aus dem Labor und dem Feld der Unterschied zwischen Art und Rasse genau bestimmt, die Variationen innerhalb einer Population durch die Chromosomen und Gene erhellt und die Schritte der Mikroevolution nachvollzogen werden.« 1940 wechselte Dobzhansky vom Caltech an die Columbia University, von 1962 bis 1970 war er an der Rockefeller University. In den 40er Jahren unternahm er ausgedehnte Reisen zum Amazonas, nach Brasilien, Peru, Argentinien, Ecuador und Kolumbien. Für die verwunderten Biologen im Westen übersetzte er die Werke TROFIM LYSENKOS (und stellte ihn damit zugleich bloß). Zu Dobzhanskys bedeutendsten Beiträgen aber gehören - neben Die genetischen Grundlagen der Artbildung - seine nicht nur für ein Fachpublikum geschriebenen Werke zu den fachübergreifenden Themen der Evolutionsbiologie und deren gesellschaftlichen Folgen. Darin drückt sich eine wichtige Interessenverschiebung aus, die mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zusammenfällt. In seinem 1946 mit Leslie C. Dunn verfaßten Vererbung, Rasse und Gesellschaft attackierte er den Rassismus. In Die Entwicklung zum Menschen von 1962 untersuchte er verschiedene Aspekte der menschlichen Evolution und den Einfluß der Gene auf die Kultur. In Dobzhanskys Weltsicht, wie sie in diesem Buch zum Ausdruck kommt, vermischen sich biologische Einsichten mit Psychoanalyse, Kunst, Ästhetik und Sprache. Sein Standpunkt im 1973 erschienenen Genetic Diversity and Human Equality vereint sozio-kulturelle Positionen mit denen der Vererbung. Politisch liberal, achtete er das Individuum, war aber von der Bedeutung der Gene und der Vererbung ebenso überzeugt wie von den bestimmenden Einflüssen der Umgebung und Kultur. Im Gegensatz zu Mayr oder Simpson, den beiden anderen Mitbegründern der modernen Synthese, glaubte Dobzhansky sein Leben lang an Gott. Er gehörte der russischorthodoxen Kirche an und betete am Ende seines Lebens, als er an Krebs litt, jeden Tag. Er glaubte, die Religion müsse sich dem wissenschaftlichen Fortschritt anpassen und sah, laut Costas B. Krimbas, »sich selbst als jemanden, der zur Entwicklung des religiösen Denkens in einer zunehmend wissenschaftlich dominierten Welt beträgt.« Sein Glaube an ein anthropozentrisches Universum ist das Thema seines 1967 erschienenen The Biology of Ultimate Concern. »Der Mensch«, schreibt er, »dieses rätselhafte Produkt der Evolution, ist vielleicht auch ihr Protagonist und letztlich auch ihr Steuermann.« Theodosius Dobzhansky wurde in seinen späten Jahren' vielfach ausgezeichnet. So wurde ihm 1959 die Darwin Medal und 1964 die National Medal of Science verliehen. 1924 hatte er Natalia Petrowna Siwertsewa, eine Biologin, geheiratet, mit der er eine Tochter, Sophia Dobzhansky Coe, hatte, die Anthropologin wurde. 1970 verließ er die Rockefeller University und wechselte an die University of California in Davis. Am Ende seines Lebens litt er an Leukämie und starb am 18. Dezember 1975. Er liegt in Mather, Kalifornien, begraben, wo sich auch die botanische Feldstation befindet, in der er oft gearbeitet und Drosophila gesammelt hatte. |
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